A PROPOS - Hier ein Pharisäer dort ein Phantast von Emmo Diem Um es gleich vorweg zu nehmen: Mit dem Pharisäer ist Jesus gemeint. Mit dem Phantasten Paulus, der Zeltmacher aus Tarsus. Beide waren ehrsame Leute, die sich zu Höherem berufen fühlten: Ein Faktum, das jedem Lernenden und Lehrenden zusteht. Leider kommen dann immer wieder Exegeten ins Spiel, die wenig dazu lernen, im Anschluß daran aber viel lehren. Beginnen wir mit dem Sohn des Zimmermanns Josef. Der war einer der vielen Wanderprediger der Gegend und kam aus jener Schule der orthodoxen jüdischen Gemeinschaft, die einen Messias erwartete, der das unangenehme Volk der Römer vertreiben, und das alte Reich von Israel und Judäa wiedererstehen lassen sollte. Nun gehört es zum Recht jedes Menschen sich die Zukunft zu gestalten, auch wenn diese im Endeffekt nicht jenen Tat- sachen entsprechen sollte, von der man vordem geträumt hat. Und da beginnt dann die Crux mit jenem Balken, der dem verurteilten Jesus viel Leid und den Schriftgelehrten unendlich viel Stoff geliefert hat. Schlägt man in Lexika der Religionen nach, die um die Gleichwertigkeit der Glaubensrichtungen (wie das der große Kardinal König tat) bemüht waren, so findet man folgenden interessanten Passus: "Die Eigenart der christlichen Quellen über Jesus ist dadurch gekenn- zeichnet, dass diese weder historische Berichte sind, noch solche zu sein beanspruchen. Zusätzlich ist auch der zeitliche Abstand zu Jesus kein Indikator für Verfälschungen". Als Zeugen verbleiben neutestamentliche Schriften und außerbiblische Nach- richten des jüdischen Historikers Josephus Flavius (+ nach 100). Auch römische Autoren wie Sueton (+ um 140), und Plinius d.J. (+ nach 113). Diese, und noch ein paar Bemerkungen (z.B. im Talmud) lassen erkennen, dass der Name Christus im Rom des ersten Jahrhunderts bekannt war. Nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht noch ein letzter Hinweis zu Prof. Hyam Maccoby, einem angesehenen Talmudphilologen, der als Kenner der antiken Geschichte gilt. Der sagt, und versucht es auf vielen Seiten zu beweisen: "Nicht Jesus, der im nationalen Widerstand gegen die römischen Besatzer grausam getötet wurde (und keinerlei religiöse oder rituelle Neuerungen im Sinne hatte), sondern Paulus war der Schöpfer des Christentums". Jesus vertrat nur die Lehrmeinung der Pharisäer. Damit bin ich an jenem Punkt meines Kommentares angelangt, wo man den Status dieser Schriftgelehrten einmal abklären sollte. Der Begriff Pharisäer hat nämlich (beeinflusst von den Evangelisten) einen Bedeutungswandel erfahren. Versteht man heute unter diesen Exegeten eher "verdrehte" Personen, so waren vor ca. 2.000 Jahren mit diesen Herren jüdische Gelehrte gemeint, die im Gegensatz zu den Tempel- und romfreundlichen Sadduzäern, das Volk mit fortschrittlichen Ideen zu beeindrucken wussten. Aber nun zu Paulus, dem Zeltmacher: Auch dieses Gewerbe war in alter Zeit durchaus geachtet, und die Kunst, dem Volk eine Wohnstätte auf relativ billiger Basis zu- kommen zu lassen, hat sicher zum Ruf dieser Gefolgschaft beigetragen. Paulus, der als röm. Bürger erst Saulus hieß, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Nazarener (= frühe Christen) um Petrus und Jakobus zu bekehren, wobei er in der Wahl der Mittel eine Fusion von gnostischen und mysterienreligiösen Aussagen zu einer neuen Religion gestaltete. Doch wie kam es dazu? Auf dem Weg nach Damaskus, wo er gegen "neue Gläubige" auftreten wollte, (Apostelgeschichte 22/5- 16 und 26/12-18) hatte er eine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus. Das soll sein Leben verändert haben, und der Römer wurde damit zum ersten Christen. Das Lexikon der Weltreligionen (Fassung 2005) drückt das so aus: "Paulus erfasst als Erster neue Ideen als Weltreligion, und trennt sich von der jüdischen Nationalreligion". Weiter >>> |