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Miscellanea

A PROPOS - Exegese im Mehrfachpack - eine skurrile Legende / II
von Emmo Diem                                                                                                                             
 
Aber lassen wir auch den Tempelpriester wieder zu Wort kommen. Der meinte: "Die Sache ist wirklich peinlich. Aber manche Botschaft läßt sich nicht mehr ändern. Denn, was würden dazu die Leute sagen? Im übrigen: Da gibt es ja noch die Exegeten. Die sind manchmal sehr hilfreich".
"Ein gutes Wort zur rechten Zeit" erwiderte darauf Zarathustra. Selbstverständlich bin ich nicht ein Priester des Apollo, sondern nur ein einfacher Waldschratt. Aber ich weiß trotzdem, dass es bei der Aufzeichnung von Botschaften schon immer Schwierigkeiten gegeben hat. Dazu kommt oft noch die mündliche Weitergabe und die Phantasie des Volkes. Und manchmal haben die Berichterstatter sich auch erst der Schüler des Meisters bedient. Während der letzten Folgerung war Zarathustra schon von einem Bein auf das andere gewechselt, was er immer dann tat, wenn er nervös wurde.
Da meinte der Tempelpriester fast eingeschüchtert: "Mein lieber Zarathustra:
Auch im Bereich unserer Agenden gibt es eine Art von Evolution".
"Stimmt" sagte da der Weise aus dem Walde. "Aber hast du nicht erst
kürzlich die Parole ins Land geworfen: Tradition liegt voll im Trend".
Heute sagt man auch Fundamentalismus dazu. Da begann es bei
dem zurechtgewiesenen Zarathustra innerlich bereits zu kochen.
Äußerlich aber entgegnete er völlig ruhig: "Wenn ich das bedenke,
was eben von dir über die Rampe kam, dann frage ich mich wirklich,
ob euer ganzes Gerede nicht doch ein Missgriff ist. Denn zuerst sprecht
ihr von der Mildtätigkeit eures Meisters, und dann lässt euer Herr die
Kanaanäerin einfach stehen, rafft sich aber letztendlich (wahrscheinlich
zu dem später hinzugefügten Zusatz einer Redaktion) zu der Aussage
auf: Frau dein Glaube ist groß. Was du willst soll geschehen. Und von
der Stunde an war ihre Tochter geheilt (Matthäus 15/28). das heisst für jeden Agnostiker: Tue immer das was der Meister will. Tust du das nicht, so wird dir auch nicht geholfen werden. Das aber entspricht einer steten Unterwerfung und Unterdrückung des freien Willens und der positiven Kräfte im Menschen.
Während Zarathustra mit der Darlegung der letzten Gedanken noch beschäftigt war, siehe da war der Tempelpriester längst verschwunden.
Was blieb da dem armen Zarathustra anderes übrig, als teilweise unverrichteter Dinge wieder in seine Zelle im Walde zurück zu kehren.
Zu seinem Tier der Freiheit, dem Adler, den er am Kopf kraulte und zu seiner Riesenschlange, die schon darauf wartete wieder gemolken zu werden. Denn sie wußte ja: Mein guter Herr benötigt das Gift für weitere Dispute.
 
POSTSCRIPTUM: Diese Legende ist frei erfunden, orientiert sich aber auf weiten Strecken an -
a) Matthäus Kapitel 15/21ff
b) Chr. Schönborn: Sonntagsexegesen
c) Fr. Nietzsche: Also sprach Zarathustra
d) Fr. Nietzsche: Der Antichrist