A PROPOS - Taoismus - Was für ein Weg? von Emmo Diem Durch das Festhalten an fundamentalistischem Gedankengut haben die Offenbarungsreligionen des so genannten "Abendlandes" den Anschluss an das moderne Zeitgeschehen verloren. Religion ist für viele eine Enklave von Geistern, Feen, Wundern usw. geworden. Also treibt es "Suchende" nach fremden Ufern, dort wollen sie Ruhe und Ordnung finden. Hat doch der Vertreter des "Pensionistenreservats Europa" (wie die Europäer in der östlichen Hemisphäre manchmal genannt werden) feststellen können, dass bald jeder vierte Mensch ein Chinese sein wird. Falls man aber Europa noch retten will, so erfordert das ein Umdenken in Wirtschaft und Kultur, also auch in Religion. So erlaube ich mir, diesmal über den Taoismus zu berichten. Wer früher Näheres über Taoismus wissen wollte, wurde immer an die Sinologen verwiesen (Sina = China), die ursprünglich christliche Missionare waren. Wer nun Sinologe war oder nicht, das hing von den Ideogrammen und ihren Interpretationen ab (Unter "Ideogrammen" versteht man Eigenheiten der chinesischen und der japanischen Schrift, die Bildzeichen an die Stelle von Buchstaben setzen). Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in Paris ein Lehramt für Sinologie eingerichtet. Ab 1829 begann Friedrich Neumann 12.000 Bände chinesischer Spezies nach Deutschland zu schaffen, wovon vor allem Bibliotheken in München und in Berlin profitierten. 1956 ging der Staat dazu über, 515 Schriftbilder und 54 Strichteile zu vereinfachen. Diese Reglementierung war hoch- problematisch, weil dadurch manche Schriftbilder der Chinesen, vor allem des Volkes von Honkong, unleserlich wurden. Für die Lehre des Lao-Tse (Lao = der Alte; Tse = der Meister) war das sub- stantiell gefährlich, weil dadurch der Begriff des Tao (= Weg, Urgrund des Seins) auseinander zu fallen drohte. Auch war es schwierig, der komplexen Aussage ein geeignetes Schriftbild zu geben. Dieses sollte einerseits das Substrat des Chi (= der strömenden Lebensenergie), andererseits die Idee des Gleichgewichts bildhaft ausdrücken. Als Drittes sollte es "den Weg" andeuten. Wenn man heute Bildzeichen betrachtet, so muss man zugeben, dass die Verbindung von Klarheit und Kalligraphie nicht misslungen ist. Nun zu Lao-Tse, dem Philosophen. Nach chinesischer Auffassung lebte er im 6. Jahrhundert v.d.Z. Die zeitgenössische Wissenschaft findet jedoch seine Daten an der Wende vom vierten zum dritten Jahrhundert vor der Zeitrechnung. Lao-Tse war Schreiber und Chronist im Dienst des Kaisers und zog sich angesichts von Not und sittlichem Verfall zurück, um das Tao-Te-King zu schreiben (Tao = Weg, Te = Tugend, King = Buch). Im Buch der alten Chinesen ist der Mensch jedoch nicht die Krone der Schöpfung, sondern ein Zwischenglied zwischen dem Chaos und einem Idealzustand des Seins am Ende der Zeit (siehe Darwin`s Menschen im Ablauf der Evolution). Lao-Tse`s Tao führt über einen Wettstreit zwischen dem männlich aktiven Teil des Yang und dem weiblich passiven Ursprung des Yin direkt in die Gedankenpyramide des Philosophen. Diese Überlegungen stehen nicht im Gegensatz zur modernen Kosmologie, die die Welt als ewige Wieder- holung von Ausdehnung und Kontraktion definiert. Ist zu Beginn des Urknall-Modells alles auf das Minimum des Yin verdichtet, so folgt im Abschnitt des Yang die Vielseitigkeit und Schönheit der Welt. Auch im Bild vom Berg, der eine Licht- und eine Schattenseite hat, treffen sich wieder Yang und Yin. Weiter >>> |